• Iris Alexandra Voß

    Iris Alexandra Voß

    Gründerin lyttn

    Mode & Textilien
    Wenn jeder Shopimpuls mit „brauch ich das wirklich?“ hinterfragt wird, sind wir im nachhaltigen Konsumieren schon eine ganze Ecke weiter.

Diese Gründerin rettet deutsche Wolle vor dem Müll


Iris Alexandra Voß

 

Person

Gründerin lyttn

Jahrgang: 1980 | Geschäftssitz: Warburg

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  • 2001-2006 Dipl. Ing. (FH) Leder- und Schuhtechnik
  • 2006-2016 Produktentwicklung Leder, Schuhe, Sportbekleidung
  • 2014-2016 MSc. Produkt- und Innovationsmanagement
 

THEMEN

Wolle, Leder, Textilien | Produktion von Schuhen und Bekleidung | Grüne Gründung

 

Einsatzgebiete

Workshopbegleitung | Gast bei Diskussionsrunden

 

#wolle #slowfashion #startup #gemeinwohlökonomie #innovation #changemanagement #workingmom #workingdad

Interview

Was genau machst Du beruflich im Bereich der Nachhaltigkeit?

Ich rette deutsche Wolle vor dem Müll und mache wunderschöne Sitzauflagen für Babyschalen daraus.

Wie bist du dahin gekommen, wo du jetzt bist?

Zehn Jahre Produktentwicklung in der Leder-, Schuh- und Sportbekleidungsbranche mit einem starken Druck auf die Mitarbeiter*innen und ein ständiges „höher, schneller, weiter!“ ließ mich müde werden. Die Fashionindustrie hat sich für mich nicht mehr richtig angefühlt. Vor allem das gerade im Sportbereich viel verwendete Polyester hat mich fast schon angewidert und so war ich froh, als mir quasi durch Zufall ein Wollprojekt angeboten wurde, an dem ich maßgeblich mitwirken sollte. Als dann unser erster Sohn geboren wurde und wir eine Sommerreise nach Frankreich planten, war mir schnell klar, dass Wolle das beste Material für einen Babyschalenbezug ist, um das Schwitzen zu vermindern – die Idee war geboren. Zwei Jahre und ein weiteres Kind später bin ich mit meinem Label online gegangen.

Hat Nachhaltigkeit schon immer eine Rolle gespielt in Deinem Leben oder gab es den berühmten Change?

Den berühmten Change habe ich oben kurz beschrieben. Wobei die Entwicklung zum Umdenken schon Jahre vorher begann, bzw. ich schon immer sehr bedacht mit Dingen umgegangen bin und mich sinnloses Shoppen und Konsumieren noch nie befriedigt hat.

Im Baby-Metier ist Nachhaltigkeit ein großes Thema. Oft aus dem Blickwinkel „nur das beste für mein Baby“, aber auch – und das ist entscheidend – aus dem Blickwinkel „für mein Baby eine bessere Zukunft“.

An welchen Punkten stößt Du, stößt Dein Unternehmen oder Deine Branche an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst Ihr diese Herausforderung?

Mein Unternehmen ist jung und bei jedem Schritt, bei jedem verwendeten Material, inkl. der Verpackung, achte ich darauf, dass es langlebig und wiederverwendbar und möglichst plastikfrei ist. Ich sehe mich in zwei Branchen zuhause: Babybranche und Textil. In beiden gibt es starke Trends zu mehr Nachhaltigkeit und in beiden ist noch so viel Potential zur Verbesserung! Die größte Herausforderung ist es, dass nicht nur die Konsument*innen umdenken müssen, sondern auch die Industrie einlenken muss. Da beide Gruppen sich auf Freiwilligkeit basierend viel zu wenig bewegen, sollte die Politik durch Gesetze nachhelfen (Stichwort Lieferkettengesetz).

Wie kann Deine Arbeit oder Deine Branche dazu beitragen, die Welt nachhaltiger zu machen?

Die Textilbranche ist eine der schmutzigsten Branchen überhaupt. Unzureichende Umweltauflagen in den Produktionsländern und sehr schlechte Arbeitsbedingungen für die Arbeiter*innen müssen ein Ende haben. Wir brauchen Alternativen, die die Konsument*innen erreichen. Da ist viel Potential!!

Mit meinem Produkt habe ich ein Textilprodukt aus nachwachsenden Rohstoffen geschaffen, das absolut fair und umweltfreundlich in Deutschland verarbeitet und produziert wird. Wir dürfen diese kleinen Labels nicht mehr als „verrückte Ökolabels“ sehen, sondern als ernstzunehmende „must haves“. Übrigens: Siegel sind leider sehr teuer und für mich (noch) nicht erschwinglich; ich stehe mit meinem Namen dafür, mehr zu leisten als die meisten Siegel verlangen.

Was war der Auslöser für die Gründung?

Meine Lebenssituation war gerade „frei“. Frisch verheiratet, mit dem ersten Kind schwanger, Job verlassen, Umzug zurück nach Deutschland >> NEUSTART war da vorprogrammiert. Dass es eine Gründung mit dem eigenen Label wurde, war nicht geplant, passte aber perfekt in die Lebenssituation. Das Thema „Wolle“ hat mich gepackt und es ist einfach so sinnvoll, diese ausreichend vorhandene und nachwachsende Ressource zu retten!

Was waren die größten Hürden und wie hast Du diese gemeistert?

Die Finanzen. Ohne „Die Höhle der Löwen“ – was ich für überhaupt nicht nachhaltig halte – ist eine Finanzierung nur in kleinen Etappen möglich und fordert stark heraus. Aber die Überzeugung etwas Gutes geschaffen zu haben und die Unterstützung durch meinen Mann machen es dennoch möglich (nach einer langen Elternzeit stockte er auf nur 80% auf, wir teilen uns Job und Carearbeit 50/50).

Was möchtest Du jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit mit auf den Weg geben?

Da ich den Konsum im Privaten am ehesten für jede*n veränderbar halte, würde ich da ansetzen und in Sachen Shopping raten, sich bei jedem Impuls die Frage zu stellen: „Brauch ich das wirklich?“, stell dir die Frage ruhig über mehrere Tage und wenn du nach 2-3 Wochen merkst, dass die Antwort immer noch aus voller Überzeugung „JA“ ist, dann kauf es dir… Ihr werdet sehen, dass ihr viel weniger WIRKLICH braucht, als ihr haben möchtet.

Inspiriere uns – wie gestaltest Du Dein Arbeits- und Dein Privatleben umweltschonend?

Wir haben in unserem Familien- und Firmenalltag bereits viel umgestellt und verändern peu a peu weiter. Wir sind immer auf der Suche nach nachhaltigeren Alternativen. Aktuell fahren wir fast ausschließlich Fahrrad, kaufen regional & fair bzw. Secondhand, wir trinken Leitungswasser, investieren Kapital in den fairworldfond und haben uns jetzt gerade gegen den Hauskauf und für die ressourcenschonendere Wohnung entschieden. Wir reisen mit der Bahn, nutzen keine Einwegbecher, kochen selbst und wickeln Geschenke in vorhandenes Papier oder nähen uns aus alten Textilien wiederverwertbare Verpackungen. Shampoos, Duschgels, Spüli sind schon lange plasikfrei und das Toilettenpapier ist immerhin recyceltes Papier. Kinderkleidung ist und wird vererbt und das eigene Schuhregal ist auch auf ein Minimum geschrumpft. Und wenn ich weiter nachdenke, fallen mir sicherlich noch mehr Kleinigkeiten des Alltags ein, die wir nachhaltiger als noch vor ein paar Tagen, Wochen, Jahren gestalten.

Was treibt Dich an?

Hoffnung. Und eines Tages sagen zu können, ich habe mein Bestes gegeben.

Von welcher Positiv-Schlagzeile aus Deiner Branche zum Thema Umweltschutz träumst Du?

Fast fashion is dead.

Futurewoman – Empowering Women in Sustainability