• M. Lee Greene

    M. Lee Greene

    Co-Founder Strategy & Ecosystem Development Foodhub NRW e.V.

    ErnährungStart-up
    Der erste Schritt, egal wie klein, ist der Beginn von etwas Großem.

"Was wir essen verändert die Welt."


M. Lee Greene

 

Person

Seriengründerin | Co-Founder Strategy & Ecosystem Development Foodhub NRW e.V.

Jahrgang: 1975 | Geschäftssitz: Düsseldorf

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Seit 2006 treibt Lee hands-on die Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft voran. Dabei zieht sich ein roter Faden durch ihre Projekte: frühzeitig auf die Potentiale neuer Konzepte und Technologien zu reagieren. So war sie bereits 2006 als Geschäftsführerin an dem Aufbau eines biodynamischen Weinguts in der Toskana beteiligt. Von 2010-2015 baute sie in den USA ihre eigenen Farm-to-Table Marke auf, die regionale Lieferketten, Biodiversität und den Erhalt alter Sorten in den Vordergrund rückte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 2016 entwickelte sie einen Chatbot-basierten Ernährungshelfer. Heute treibt Sie als Co-Founder und Vorstandsmitglied des Foodhub NRW e.V. Lösungen für ein nachhaltigeres Ernährungssystem voran. Hier liegen ihr solche Lösungen besonders am Herzen, welche die Agrar- und Ernährungswirtschaft als Teil einer interdisziplinären, zirkulären Bioökonomie befähigen.

Lee ist davon überzeugt, dass Digitalisierung und Technologien Hand in Hand mit ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit gehen können, und setzt sich für Innovationen ein, die diese unterschiedlichen Standpunkte miteinander verbinden.

 

THEMEN

Zukunft des Essens und der Landwirtschaft | Transformation | Digitalisierung | Zukunftstechnologien | Circular Economy | Bioökonomie | Start-up | Innovationsökosysteme

 

Einsatzgebiete

Keynote | Speakerin | Panelteilnehmerin | fachliche Moderation | Gesprächspartnerin für Interviews und Podcasts | Workshop-Leitung

 

#futureoffood #SDGs #systemchange #circulareconomy #teamwork

M. Lee Greene – Futurewoman
M. Lee Greene – Futurewoman
 

Interview

Was genau machst Du beruflich im Bereich der Nachhaltigkeit?

Ich baue Transformations-Ökosysteme und bringe Menschen zusammen, die gemeinsam die Nachhaltigkeitstransformation der Land- und Ernährungswirtschaft vorantreiben. Das können z.B. Wissenschaftler oder Start-ups sein, die Produkte oder Technologien entwickelt haben, und Zugang zu Feedback, potentiellen Partnern, Investoren oder Kunden suchen. Ideen gibt es viele, was wir aber brauchen sind skalierbare Lösungen. Die schaffen wir nur gemeinsam.

Konkret lassen sich meine Tätigkeiten in drei Bereich bündeln: (1) Kommunikation und Transparenz schaffen, wer an was arbeitet, (2) Gelegenheiten schaffen, in denen Zukunftsmacher sich austauschen und aus Ideen Lösungen entwickeln können, (3) ganz gezieltes Matchmaking zwischen zwei oder mehr Personen.

Wie bist du dahin gekommen, wo du jetzt bist?

Ich arbeite seit 2006 aktiv an der regenerativen Transformation des Ernährungssystems und irgendwie tendiere ich immer dazu, mich neuer Konzepte und Themen in einer sehr frühen Phase anzunehmen. Mein Einstieg war über ein biodynamisches Weingut in Italien. 2006 war das ziemlich abgefahren, die Menschen dachten, wir tanzen nachts nackt um die Rebstöcke. Da habe ich zum ersten Mal verstanden, wie schwer es ist, neue, erklärungsbedürftige Ideen zu skalieren. Die Arbeit im Weinberg, die engen Allianzen mit anderen qualitätsfokussierten Food & Wine Produzenten hat mich dann zum Thema „Farm-to-table“ gebracht und wie man diese Art der Produzenten besser bei der Vermarktung unterstützen kann. Und das Thema „Terroir“ im Weinberg zur Frage, ob nicht auch „Terroir“ in unserem Essen ist, welche Rolle alte Sorten und Biodiversität spielen. Also habe ich 2010 ein Start-up in den USA gegründet und begonnen mit Landwirt:innen alte Sorten anzubauen und zu verarbeiten. Da ging in den USA die ganze „Farm-to-table“-Bewegung los, das war eine irre Zeit. Ein paar Verrückte gegen den Rest der Welt. Aber es hat Anklang gefunden und mittlerweile wissen die meisten Konsument:innen mit den Konzepten etwas anzufangen.

Fast forward zu 2024 und mich treibt vor allem die Frage um, wie wir es schaffen, ein nachhaltiges Ernährungssystem zu etablieren. Dazu reicht keine Digitalisierung des Status-Quo und auch kein Pflanzen von Bäumen für Klimakredits. Vielmehr müssen wir ein regeneratives Ernährungssystem schaffen als Teil einer zirkulären Bioökonomie, in der nachwachsende Rohstoffe nicht nur auf dem Teller, dem Futtertrog und im Tank landen, sondern in vielen anderen Wirtschaftsbereichen zum Einsatz kommen: als Ersatz für Plastik, in der Bauindustrie statt Zement und Stahl, in der Textilwirtschaft, um nur einige zu nennen. Hier passiert gerade unheimlich viel, gemeinsam können wir hier viel erreichen.

Hat Nachhaltigkeit schon immer eine Rolle gespielt in Deinem Leben oder gab es den berühmten Change?

Nachhaltigkeit war mir tatsächlich schon immer wichtig und ein bisschen die Welt retten war auch schon immer mein Ziel. Während meines Studiums der Volkswirtschaftslehre habe ich dann vom Pareto-Optimum gehört, und das Bild gibt mir seitdem meinen Nachhaltigkeits-Kompass vor: verändern meine Aktionen irgendwo auf der Welt irgendwas zum Schlechteren? Leider sind so viele Beziehungen und Lieferketten verwoben und Trade-Offs auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen. Aber irgendwo muss man ja anfangen.

Land- und Ernährungswirtschaft berührt so Nachhaltigkeitsthemen: Gesundheit, Hunger, Biodiversität, Verpackungsmüll, Klimaschutz … Es ist schwierig da einen Trend vor den anderen zu stellen, denn alle sind gleich wichtig. Außerdem gibt es oft Trade-offs zwischen Nachhaltigkeitszielen zu berücksichtigen. Wenn man sich zu sehr auf ein Thema/Trend fokussiert, kann man schnell am Ziel vorbei schießen. Mein Lieblingsbeispiel ist die in Plastik verpackte Gurke. Als man das Plastik da aus Umweltgründen weggelassen hat, war der Effekt, dass die Gurken viel schneller schlecht wurden und weggeschmissen werden mussten.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass etwas was wir hier in Europa als Trend sehen, vielleicht in anderen Ländern der Welt diametral anders bewertet wird. Beispiel: In Deutschland, in dem die Bevölkerung mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt wird, ist es leicht, den Konsum von weniger tierischen Proteinen als Lösung der Klimaproblematik zu diskutieren. Im Globalen Süden aber nicht.

An welchen Punkten stößt Du, stößt Dein Unternehmen oder Deine Branche an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst Ihr diese Herausforderung?

Wir haben uns in Deutschland an den Luxus gewöhnt, sehr viele Lebensmittel zu sehr niedrigen Preisen kaufen zu können.

Die Transformation des Ernährungssystems kostet aber Geld. Unternehmen wollen sicher sein, dass Konsument:innen nachhaltigere und damit teurere – Lebensmittel wirklich kaufen. Diese mangelnde Zahlungsbereitschaft – die Systemwahl an der Kasse – ist aktuell noch ein wirkliches Hindernis. Mit dem fortschreitenden demographischen Wandel wird sich das zwar ändern, aber darauf sollten wir nicht warten.

Wir als Branche müssen daher den Konsument:innen jetzt erlebbar machen, welchen positiven Impact sie mit ihren Kaufentscheidungen haben: Wie wir essen verändert die Welt! Und das ohne erhobenen Zeigefinger.

Wie kann Deine Arbeit oder Deine Branche dazu beitragen, die Welt nachhaltiger zu machen?

Wo anfangen! Wir produzieren, verpacken, distribuieren Produkte, die jeden Tag, überall auf der Welt, konsumiert werden.

  • Wir können in der Landwirtschaft anders produzieren, z.B. durch den verringerten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und durch den Aufbau von Humus im Boden. Wir können andere Dinge kultivieren, z.B. heimische Eiweißpflanzen für die menschliche Ernährung, mit positiven Wirkungen auf die Biodiversität.
  • Wir können smarter verpacken, mit neuen, bio-basierten Verpackungsmaterialien – ganz weglassen ist schwer, denn meist ist Verpackung sinnvoll, um die Lebensmittel länger frisch zu halten. Weniger Verpackung darf nicht korrelieren mit mehr Lebensmittelverschwendung!
  • Wir können Technologie einsetzen, um besser zu verstehen, wer wann was konsumieren will, und so Lebensmittelverschwendung reduzieren. Und die Verluste im Produktionsprozess, die können wir mit Technologie auch reduzieren.
  • Wir können Rohstoffe und Lebensmittel besser verteilen, damit nicht 735 Mio. Menschen unterernährt sind, während alleine in Deutschland jede Konsument:in im Durchschnitt 78 kg Lebensmittel wegwirft.
  • Wir können Rezepte verändern, so dass die Produkte gesünder sind, nahrhafter – bis hin zu kuratierter oder personalisierter Ernährung.

Was war der Auslöser für die Gründung?

Ob als Teammitglied eines jungen Unternehmens oder mit meinen eigenen Start-ups, das Learning war immer das Gleiche: um wirklich neue Konzepte zu etablieren braucht es viele strategische Allianzen, Cheerleader und Mitkämpfer. Es braucht ein eng gestricktes, kollaboratives Ökosystem, das gemeinsam Innovation und Transformation treibt. Sonst bleiben Ideen nur schöne Ideen, und werden nie handfeste Lösungen. Also habe ich 2018 in bester Start-up Manier mit Partnern genau so eine Plattform gegründet, den Foodhub NRW.

Was waren die größten Hürden und wie hast Du diese gemeistert?

Neue, grüne Konzepte stehen meist vor kommunikativen Herausforderungen, denn neue Konzepte sind in der Regel erklärungsbedürftig. Das als kleines Start-up alleine zu stemmen ist sehr schwer. Auch hier helfen Allianzen, im Zweifel auch mit Wettbewerbern. Denn der eigentliche kommunikative Gegner ist der Status Quo, nicht ein anderes kleines Start-up, egal wie ähnlich das Produkt oder die Dienstleistung ist.

Was möchtest Du jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit mit auf den Weg geben?

Es sind ganz tolle Lösungen in der Entwicklung, um viele der aktuellen Herausforderungen zu stemmen. Sicher, teilweise dauert das etwas länger, als man sich wünscht – Technologien entwickelt man bspw. nicht von heute auf morgen – aber es gibt viele Gründe, hoffnungsvoll zu sein. Ich bin sehr optimistisch, dass wir als globale Gesellschaft gemeinsam ein neues Gleichgewicht schaffen.

Und: da draußen gibt es Lösungen, an die nur noch keiner gedacht hat. Hab Mut, neue Ideen zu entwickeln und voranzutreiben!

Inspiriere uns – wie gestaltest Du Dein Arbeits- und Dein Privatleben umweltschonend?

Ich lebe in einer Großstadt, das heißt ich bin absolut privilegiert, was den Zugang zu Transport- und Einkaufsinfrastruktur betrifft. Ich bewege mich zu Fuß, mit Rad, ÖPNV, Bahn und gelegentlich Car Sharing, kann 2x die Woche saisonal am regionalen Bauernmarkt einkaufen und habe mehrere Resale-Geschäfte von Oxfam, Caritas ums Eck und eine sehr aktive nebenan.de Community. So kann ich viele Sachen gebraucht kaufen bzw. Sachen sinnvoll weitergeben. Außerdem bin ich aktiv bei Foodsharing, um Lebensmittel vor der Tonne zu retten. Und da ich mich ein bisschen mit meinem persönlichen digitalen C02 Ausstoß auseinandergesetzt habe, schlage ich z.B. Wörter wieder im alten Thesaurus nach, statt das Online-Tool zu bemühen und verzichte wo möglich auf Videocalls.

Was treibt Dich an?

Mein Sinn für Gerechtigkeit. Es ist ungerecht, wenn wir zukünftigen Generationen die Chancen verbauen auf ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten. Es ist ungerecht, wenn wir im Globalen Norden auf Kosten des Globalen Süden leben.

Von welcher Positiv-Schlagzeile aus Deiner Branche zum Thema Umweltschutz träumst Du?

Verpackungsmüll ade: Lebensmittel jetzt entweder in 100% kompostierbarer oder 100% recyclebarer Verpackung (und ein einfach zu navigierendes System von Tonnen gibt es auch!)

Futurewoman – Empowering Women in Sustainability